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Interview mit Jürgen Jankowitsch

Interview mit den Machern von Schülermediencoach inklusiv

Idee-BW Sie liegen nur einen kurzen Spaziergang voneinander entfernt: die Bodelschwinghschule und das Pfarrwiesen-Gymnasium in Sindelfingen. Das Projekt des Caritasverbandes für Stuttgart e.V., gefördert von der Initiative Kindermedienland, hilft den beiden Schulen Inklusion in die Tat um zu setzen.

Inklusion mit Medien zum Leben erweckt

Jürgen Jankowitsch vom Caritasverband für Stuttgart hat uns ans Pfarrwiesen-Gymnasium in Sindelfingen eingeladen, um das Projekt „Schülermediencoach inklusiv (SMC+)“ näher anzuschauen. Im Rahmen einer Projektwoche werden hier „Schülermediencoaches“ ausgebildet, die im zweiten Schritt ihr Wissen in der benachbarten Bodelschwinghschule (für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung) weitergeben. Wir haben uns drei Module genauer angeschaut, in denen die angehenden Schülermediencoaches lernten, wie Werbung funktioniert und worauf beim Datenschutz zu achten ist. Jürgen Jankowitsch, Lehrerin Regine Wagner und Lehrer Alexander Mink erklärten uns das Projekt im Detail. Regine Wagner unterrichtet evangelische Religion und Psychologie. Alexander Mink unterrichtet als Klassenlehrer Physik und Französisch.

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    Die Entstehungsgeschichte
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    Das Projekt
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    Die Schülerinnen und Schüler
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    Die Kooperation
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    Die Zukunft
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    Die Referenten

Die Entstehungsgeschichte

Herr Jankowitsch, was bedeutet „SMC+“?

Jürgen Jankowitsch: Das steht für „Schülermediencoach inklusiv“ Das Plus steht für inklusiv.

Ihr beschäftigt Euch in dieser Ausbildung auch mit dem Thema Cybermobbing, von dem es heißt, dass es bei Menschen mit Behinderung ein noch größeres Problem ist. Was hat es damit auf sich?

Jürgen Jankowitsch: Wir haben das Projekt aufgelegt, weil wir immer wieder zu dem Thema „Medien“ Anfragen bekommen habe. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behinderteneinrichtungen wenden sich an uns und fragen nach, was sie bei Cybermobbing oder Stalking machen können. Weil sich das gehäuft hat, sind wir losgezogen, um die genaue Lage zu evaluieren. Wir waren in verschiedenen Caritas-Einrichtungen sowie Behinderten-Werkstätten und haben dabei festgestellt, dass das Internet für Menschen mit Behinderung wirklich barrierefrei ist. Im Internet spielt es keine Rolle, ob ein Mensch im Rollstuhl sitzt oder ein sonstiges Handicap hat. In einem Chat oder einer Community erfahren diese Menschen mit Behinderung Wertschätzung vom Gegenüber. Wir haben allerdings festgestellt, dass Menschen mit Behinderung wesentlich leichtgläubiger sind als andere. Deswegen haben wir über ein Konzept nachgedacht, wie man auch das Personal in solchen Behinderteneinrichtungen erreichen kann. Das vom Thema „Medien“ häufig noch weiter weg sind, als jetzt z.B. die Lehrer.

Wie hat der gesellschaftliche Diskurs zum Thema „Inklusion“ das Projekt beeinflusst?

Jürgen Jankowitsch: Auf der Metaebene wird ja über das Thema „Inklusion“ seit zwei Jahren heiß diskutiert. Da haben wir uns gefragt, was den Jugendlichen und jungen Erwachsenen in solchen Einrichtungen weiterhilft und wie wir zum Thema Inklusion ein Projekt machen können. So kam „SMC+“ zustande. Wir wollten definitiv einen Peer-to-Peer-Ansatz in einer normalen allgemein bildenden Schule umsetzen. Darauf basierend muss sich die Schule mit einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung vernetzen. Wir hätten ja auch einfach nur Referenten an eine Behindertenwerkstatt schicken können, die was über Medien erzählen und dann wieder gehen. Aber genau das wollten wir nicht. Wir wollten das Projekt als etwas Nachhaltiges anlegen, in dem die Idee der Inklusion tatsächlich zum Leben erweckt wird. Die Inklusion wird dabei auch mit einem richtigen Thema versehen. Oder anders ausgedrückt: die Medienpädagogik wird mit einer inklusiven Begegnung versehen.

Das Projekt

Innerhalb der drei Projekttage lernen die Schüler in 13 Modulen alles über Inklusion und über vielfältige Medienthemen. Zum Einstieg wird erklärt, was von den Schülermediencoaches erwartet wird. Danach werden ausführlich verschiedene Medienthemen behandelt: Soziale Netzwerke, Datenschutz, Cybermobbing, Computerspiele, Reality TV, Nachrichten und Werbung. Auch die Reflexion des eigenen Medienkonsums und die Erstellung eines Medienknigges stehen an. Zum Abschluss werden Moderationstechniken erläutert und Tragweite von Inklusion vermittelt.

Was sieht das Projekt konkret aus?

Jürgen Jankowitsch: Zuerst werden die Schülermediencoaches ausgebildet, was je nach Schule 25 bis 30 Stunden dauert. Am Pfarrwiesen-Gymnasium ziehen wir das kompakt in einer Projektwoche durch. In einer anderen Schule machen wir die Durchführung z. B. immer Freitag nachmittags. Unser Wunsch ist aber, dass es kompakt innerhalb von sieben bis acht Wochen durchgeführt wird und sich nicht über ein halbes Jahr erstreckt. Wir vereinbaren mit den Schulen Workshops, die sie ins eigene System integrieren können. Darauf aufbauend vereinbaren wir Termine mit einer benachbarten Einrichtung wie in dem Fall mit der Bodelschwinghschule.

Wer unterrichtet die angehenden Schülermediencoaches in Sachen „Medien“?

Jürgen Jankowitsch: Im ersten Schritt haben wir einen Pool von Referenten ausgebildet. Darunter sind hauptsächlich Medienpädagoginnen und Medienpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Medienschaffende. Wenn wir ein Projekt durchführen schicken wir am liebsten ein Tandem aus  einer Medienpädagogin oder einem Medienpädagogen und einer Sozialpädagogin oder einem Sozialpädagogen raus. Wenn man mit Schulen zusammenarbeitet, sollte zumindest einer der beiden das System ‚Schule‘ kennen und wissen, wie man da andockt.

Wie würde ein Einsatz aussehen, wenn die Schüler an die Bodelschwingschule rübergehen?

Jürgen Jankowitsch: Die könnten mit den Schülerinnen und Schülern der Bodelschwinghschule einen Workshop zu WhatsApp oder Facebook machen. Oder sie könnten einen Film mit denen drehen. Es könnte alles sein, was aus der Sicht der Adressaten Sinn macht. Das wird auch gemeinsam verhandelt. Das würde keinen Sinn machen, wenn wir denen was auf aufoktroyieren. Das muss ja dem Bedarf entsprechen. Herr Mink und ich haben vor zwei Monaten mit der Leitung der Bodelschwingschule gesprochen und vereinbart, dass die SMCs und ihre Schüler erstmal zusammen miteinander frühstücken, um sich kennenzulernen. So bekommen sie gegenseitig ein Gefühl füreinander. Die SMC+ haben ja bereits Ideen entwickelt. Alles Weitere wird sich daraus ergeben.

Die Schülerinnen und Schüler

Wie viele Schüler nehmen bislang an dem Projekt teil?

Alexander Mink: Wir haben genau elf Schülerinnen und Schüler, die für SMC+ motiviert sind und damit etwas anfangen können.

Wie habt ihr die Schülerinnen und Schüler für das Projekt zusammenbekommen?

Alexander Mink: Wir haben in den Klassen 8 und 9 Werbung gemacht. Eine ist noch aus der Klasse 10 mit dabei. Die mussten ein Bewerbungseinschreiben einreichen, in dem sie begründen, warum sie daran teilnehmen wollen. Wir haben festgestellt, dass wir eine ganz andere Auswahl haben, wenn wir die Schüler sich bewerben lassen, als wenn sie sich nur in eine Liste eintragen.

Wie war die Bewerbungssituation?

Alexander Mink: Wir haben alle genommen, die sich beworben haben.

Regine Wagner: Die Hürde bestand darin, dass sie die Teilnahme ausführlich begründen mussten. Deswegen haben wir jetzt Schüler beisammen, denen das Thema auch wichtig ist. Das haben wir in der vorangegangenen Stunde total gemerkt. Wir merken, dass sie im Umgang miteinander eine hohe soziale Kompetenz mitbringen. Wir sitzen hier im Klassenzimmer und beobachten das Projekt mit Staunen.

Die Kooperation

Wie haben sie vermitteln können, dass die Arbeit mit Menschen mit Behinderung anspruchsvoller sein kann?

Regine Wagner: Das war überhaupt gar kein Problem. Zum einen sind wir ja in räumlicher Nähe und die Schulen sind sehr präsent zueinander. Lange Zeit hatte die Bodelschwinghschule ein Klassenzimmer in unseren Räumlichkeiten und dadurch war der Kontakt schon immer intensiver. Wir konnten bei denen einfacher „vorbeischauen“ und diese Klasse verbrachte ihre Pausen bei uns auf dem Schulhof. Zum anderen unterrichten wir auch Geschwister, bei denen einer bei uns und der andere an der Bodelschwinghschule lernt. Die Nähe dazu ist also gegeben.

Gab es bereits in der Vergangenheit Projekte zusammen mit der Bodelschwinghschule?

Alexander Mink: Wir hatten bislang immer nur punktuelle einzelne Aktionen. Dass die Schülerinnen und Schüler aber gemeinsam an einem Thema arbeiten, ist etwas Neues. Mir gefällt, dass wir durch dieses Projekt eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Bodelschwinghschule hinbekommen.

Regine Wagner: Wir haben bereits in der Vergangenheit nach Möglichkeiten gesucht, wie wir besser zusammenarbeiten können. Bislang war es aber immer schwierig, miteinander zu kooperieren. Die Bodelschwinghschule hat nämlich einen ganz anderen Tagesablauf als wir mit unserem Doppelstunden-System. Deswegen ist so ein Projekt wie SMC+ bei uns sehr willkommen, weil wir dadurch eine Grundlage schaffen, auf der wir besser kooperieren können.

Wie wurde das Projekt im Kollegium angenommen?

Alexander Mink: Wir haben das Projekt ausführlich diskutiert und mit der Schulleitung abgeklärt. Das Kollegium findet das gut, weil wir so gleichzeitig für unsere Schule fitte Mediencoaches ausbilden, die den jüngeren Schülern weiterhelfen können. Das Thema „Medien“ ist an unserer Schule natürlich sehr relevant. Seit kurzem haben wir wieder neue Handyregeln aufgestellt.

Die Zukunft

Welche Veranstaltungen sind noch bei dem Projekt geplant?

Jürgen Jankowitsch: Parallel zu dieser Veranstaltung sind wir auch an einer Schule in Bad Boll tätig. Im Herbst 2015 wollen wir das Projekt zusammen mit einem Behindertenzentrum in Stuttgart durchführen. Die Herausforderung dabei besteht, mit dem Jugendhaus, der mobilen Jugendarbeit und der Mobilen Kindersozialarbeit im Stadtteil zusammenzuarbeiten, dann dort gehen wir bewusst nicht an eine Schule, sondern führen die Ausbildung außerschulisch durch. Wir sind gespannt, ob das Projekt auch losgelöst im Gemeinwesen funktioniert. Da ist die Hürde nochmal höher. In Schulen sind die Schüler ja da und sie laufen einem im Rahmen einer Projektwoche nicht davon. Sowas kommt eher im Bereich der Jugendhilfe vor, weil alles auf Freiwilligkeit beruht. Ansonsten sind wir noch mit mehreren Schulen am Verhandeln. Zwei der Schulen sind bereits für Anfang 2016 geplant.

Die Referenten

Wie gefällt euch der Schwerpunkt „Menschen mit Behinderung“?

Christian Bluthardt: Die Idee, die dahintersteckt, gefällt mir total gut. Ich glaube, dass der indirekte Ansatz über die SchülerMedienCoaches ein ideales Konzept darstellt, um diese spezielle Zielgruppe zu erreichen.

Wie empfindet ihr die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern?

Hannah Deusch: Die Schüler sind total interessiert, wissen teilweise sehr viel und manches aber eben auch nicht. Zusammen finden wir dann Neues heraus. Ich merke, dass sie sich richtig darauf freuen, das Gelernte weiterzugeben, besonders an Menschen mit Behinderung, die sonst schwerer Zugang dazu haben.

Welche Aha-Effekte gab es bereits?

Christian Bluthardt: Gerade beim Thema Datenschutz waren wir total verblüfft, was die Schülerinnen und Schüler schon alles wissen und was für ein dickes Fell sie haben. Wir gehen ja flexibel mit unseren Inhalten um und in so einem Fall reden wir mit den Schülern auf einem deutlich höheren Niveau. Das Klischee, dass Jugendliche im Internet nur Mist bauen, wurde überhaupt nicht bestätigt. Gerade bei der Gruppe hier waren wir total überrascht, wie weit sie schon sind.

In den weiteren Projekt-Tagen haben die Teilnehmer/innen aus den Klassen 8 bis 10 vieles über ihren eigenen Medienkonsum gelernt. In insgesamt 13 Modulen werden sie zu Schülermediencoaches ausgebildet, um nachher in der benachbarten Bodelschwinghschule selber Kurse anzubieten. Bei dem von der Initiative Kindermedienland geförderten Projekt „Schülermediencoach +“ sollen sie Mitschüler/inne/n mit Handicap bei Medienfragen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das inklusive Projekt des Caritasverbandes für Stuttgart gewann 2014 eine Förderung des Ideenwettbewerbs der Initiative Kindermedienland.

Kontakt

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